Die deutsche Science Fiction und ihre Anfänge vor mehr als 150 Jahren mit der SF-Kurzgeschichte
Wurde bisher vor allem durch Roland Innerhofer (1996) und Klaus Geus (Sapra, 2005) die Science Fiction des Kaiserreichs in Romanform bestens erforscht und die bedeutendsten SF-Romane durch Franz Rottensteiner (1989 - 2017) auch ausführlich rezensiert, so will die nun 2-bändige Kurze Geschichte der deutschen Science Fiction Kurzgeschichte 1871 - 1919, die die Ergebnisse von 20 Jahren privater Forschungsarbeit und Recherchen präsentiert, die bibliographische Lücke für die SF-Kurzprosa dieser Zeit schließen.
SF-Prosa 1871 - 1919
31.12.2018 01.12.2022
Novellen 630 793
Romane 277 277
Serienhefte 277 277
Summe 1.184 1.347
Das Buch könnte eine Forschungslücke füllen, da bisher die SF-Romane im Vordergrund stehen.
Prof. Dr. Hans Esselborn
Kurze Geschichte der deutschen Science Fiction Kurzgeschichte 1871 - 1919
Band I: Genese und Chronologie in mehr als 1050 Einzelnachweisen von 300 Autoren
Die 1. umfassende Bestandsaufnahme der deutschen Science Fiction Kurzprosa für den Zeitraum 1871 - 1919 in mehr als 1050 Einzelnachweisen von 300 Autoren belegt in eindrucksvollen Statistiken, dass am Anfang der Gattung im deutschsprachigen Raum nicht der abenteuerliche Zukunfts-erfinderroman á la Jules Verne Pate stand, sondern in den 1870er Jahren die spekulativ-philosophische Kurzgeschichte und die gesellschaftskritische Zukunftssatire von Kurd Laßwitz, Gisbert Pniower und Julius Stinde die Science Fiction in Deutschland begründeten. Mit „Moderne Märchen und Zukunftsbilder“, „Bilder aus der Zukunft“ und „Die Opfer der Wissenschaft“ publizierte dieses frühe utopische Dreigestirn bereits in den 1870er Jahren sogar schon die ersten SF-Story-Sammlungen.
So war es die oft nur minimalistisch literarisch ausgeführte technische Zukunftsskizze von nur wenigen Seiten, die die Science Fiction noch vor dem späteren SF-Roman-Boom um die Jahrhundertwende in Deutschland und Österreich bereits in den 1880er Jahren in Tageszeitungen und Zeitschriften etablierte. Schon früh wurde hier als „Utopia in minima maxima“ ein äußerst innovativer Höhepunkt generiert mit komplexen „Zukunfts-bildern“, in denen oft die Keime ganzer SF-Bibliotheken angelegt waren, die dann erst später im 20. Jahrhundert literarisch realisiert wurden.
Danach waren es in den 1890er Jahren meistens anonyme und heute längst vergessene Autoren (darunter einige wenige Autorinnen wie Bertha v. Suttner und Franziska v. Kapff-Essenther) sowie vor allem Ferdinand Groß, Max Haushofer, Paul Scheerbart und Hermann Löns, seit 1902 dann Gustav Meyrink, Hans Dominik, Carl Grunert und Rudolf Martin sowie später Salomo Friedlaender, die die genuine deutsche SF in der Kurzprosa als gesellschaftskritische, technik-didaktische oder spekulativ-philosophische Variante bis 1919 facettenreich weiterentwickelten und zahlreiche Genrehybride kreierten.
Andere Autoren degradierten sie hingegen nach 1905 immer häufiger zur rein humoristisch-amourösen oder abenteuerlichen Unterhaltungslektüre um eine singuläre Zukunftserfindung – oftmals auch mit einem bellizistischen oder antifeministischen Duktus.
Trotzdem konnte das weitverbreitete Vorurteil, dass die nationalistische Kriegsutopie die deutsche Science Fiction vor 1914 maßgeblich geprägt hätte, anhand der tatsächlichen Publikationszahlen widerlegt werden.
Der 1. Weltkrieg beendete dann abrupt die weitere Entwicklung der Science Fiction in der Kurzprosa, sodass nach 1919 fortan der Roman u.a. als technisch-politischer Zukunftsroman das Genre in Deutschland dominierte, wofür Hans Dominik, der erst durch seine derartigen Romane in Millionenauflage zum SF-Bestsellerautor wurde, paradigmatisch stehen kann.
Inhalt von Band I:
Zur Erforschung der frühen deutschen Science Fiction
Vom Nullpunkt der deutschen SF 1871 bis ins Jahr 1919
Die deutschen Zukunftsstädte um 1900
Die 1870er Jahre
Die 1880er Jahre
Die 1890er Jahre
Von der Jahrhundertwende bis 1914
Die Weltkriegsjahre 1915 - 1919
Vom Naturwissenschaftlichen Märchen zur Science Fiction
Erste Theorien der Science Fiction
Frühe Kritik an der SF als „Technischer Chiliasmus“
Die Schundliteraturkampagne 1910 - 1916 gegen die SF
Aktuell lieferbare deutsche SF-Kurzprosa 1871 - 1919
274 S. mit 36 Originalabbildungen
Eleganter Glanz-Paperback 20,0 cm x 13,5 cm
ISBN 978-3-910234-64-2
49,80 Euro
Band II: Ausgewählte Zeitschriften, Heftserien, Sammelbände und frühe utopische Illustrationen
Band II enthält eine umfassende Rezeption ausgewählter SF-relevanter Zeitschriften und Jahrbücher mit 40 utopischen Illustrationen seit 1844 u.a. zu Retortenbabys, geklonten Menschen, miozänen Anthropoiden, einem Asteroiden-Selbstentdecker, diversen Automatenmenschen, einer Welt-zerstörungsmaschine uvm. sowie 44 Coverabbildungen sämtlicher SF-Anthologien und Sammelbände mit Science Fiction seit 1873.
Inhalt von Band II:
Frühe illustrierte SF in den „Fliegende Blätter“ seit 1844
Innovative SF in der Wiener Familienzeitschrift „An der schönen blauen Donau“ 1886 - 1891
Erotische SF in der frivolen Zeitschrift „Caviar“ 1887 - 1891
SF und Kriegsutopien in "Das Neue Universum" und anderen Knabenbüchern seit 1884
SF in der „Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens“
SF-Sammelbände
SF-Anthologien
SF-Heftserien
274 S. mit 96 Originalabbildungen
Eleganter Glanz-Paperback 20,0 cm x 13,5 cm
ISBN 978-3-910234-65-9
49,80 Euro
Julius Stinde & die wissenschaftskritischen Anfänge der deutschen Science Fiction 1871 - 1878
Der Chemiker Dr. Julius Stinde (1841 - 1905) war in den 1870er Jahren neben Kurd Laßwitz (1848 - 1910) einer der ersten, der in Deutschland die Erkennt-nisse der modernen Naturwissenschaften in Essays und volkstümlichen Sachbüchern popularisierte und vor allem die Chemie und die Evolutions-theorie in von ihm so benannten „naturwissenschaftlichen Satiren“, die heute als Science Fiction etikettiert werden können, wissenschaftskritisch behan-delte.
Stinde hat als einer der ersten seit 1872 höchst aktuelle Fragen des wissen-schaftlichen Diskurses zur Ethik von Forschung und Technik, zur Technik-folgenabschätzung und wissenschaftlichen Risikoabwägung antizipiert.Er gerierte sich dabei als eine Art Anti-Jules-Verne und persiflierte Darwin, Häckel und andere Wissenschaftsgrößen der 1870er Jahre, so u.a. indem er für die Welt in 2 Millionen Jahren den Zukunftsaffen als evolutionären Nach-folger des Menschen und ein wenig eher schon die Evolution zu aggressiven Pflanzen mit tödlichen Giften, die Menschen und Tiere angreifen, voraus-sagte.„Opfer der Wissenschaft“ werden bei Stinde seit 1872 diejenigen, die als „Des Chemikers Rache“ ein appetithemmendes Mittel verabreicht bekommen, deren Farbensinn durch Chemikalien zerstört wird, die eine neuartige „Blutkur“ an depressiven Frauen ausprobieren, sich in einen künstlichen Tief-schlaf versetzen lassen oder die ihren Säugling durch die Verdauungssäfte fleischfressender Pflanzen töten.Stinde antizipierte schon 1878 in „Der klimatische Krieg“, dass man zukünftig „keine Kriege mehr führen um den Ruhm, um die Erbfolge, um die Religion, sondern um das Klima.“ Denn „beherrscht Russland einst die Welt, so wird es Sibirien in ein tropisches Land verwandeln“.Er sah die Wissenschaftskirche, in der „Die Religion der Physik“ zelebriert wird, voraus und wies in „Das Spectrum der Seele“ mittels der Spektralanalyse die Existenz der Seele nach.Stinde prophezeite, wenn „der Mensch die Anpassung und Vererbung durch künstliche Zuchtwahl leite, er imstande sei, ein Menschengeschlecht erstehen zu lassen, das an Kraft, Schönheit, Tugend, Erkenntnis und Wissen derartig die jetzige Generation überwiegt“. Im durch staatliche Zuchtwahl (Selektion) und phosphorhaltige Nahrungsergänzungsmittel hervor-gegangenen Chinesen manifestierte Stinde den Prototyp „des künftigen Ideal-Menschen“ und in China das zukünftige „Heil der Menschheit“.Protagonist seiner meisten SF-Novellen ist dabei Professor Desens, einer der ersten SF-Serienhelden, der sich am Ende jedoch selbst umbringt, als er erfährt, dass sein „Weltbeglückungsplan“ auf einer fehlerhaften wissenschaftlichen Annahme beruhte.Stinde brachte schon früh zahlreiche SF-Motive, die erst sehr viel später vor allem von der angloamerikanischen SF aufgegriffen wurden, und war neben Laßwitz nicht nur der Mitbegründer der genuinen deutschen Science Fiction, die er in ihrer orginären literarischen Form, der Kurzgeschichte, präferierte, sondern mit 14 einschlägigen Novellen in der Zeit von 1871 - 1878 sogar der produktivste und wissenschaftskritischste deutsche SF-Autor der 1870er Jahre.Inhalt:
Zum stindefiction´schen Geleit
Die Naturwissenschaftliche Satire als frühe Form der Sciene Fiction
Julius Stinde und die „Opfer der Wissenschaft“
1871 Zwei Millionen Jahre später
1872 Des Chemikers Rache
1874 Die Opfer der Spectralanalyse.
Das Spectrum der Seele
Der Maler des blauen Bildes
1875 Die Rache des Sandbläsers
1876 Von Pflanzen gefressen
1878 Die Blutkur
Der klimatische Krieg
Die Flucht Rocheforts
Die Religion der Physik
Promemorium an den Kaiser von China
Der künstliche Scheintod
Die Seelensucher
1885 Geschäftliche Pflichten
1896 Was auf den Planeten gekocht wird
1899 Die Mopskatze
1899 Die Fahrt ins Blaue
Julius Stinde als Mitbegründer einer wissenschaftskritischen deutschen Science Fiction
Literatur
130 S. mit 30 Originalabbildungen
Eleganter Glanz-Paperback 20,0 cm x 13,5 cm
ISBN 978-3-946366-55-3
49,80 Euro